Vor gut 10 Jahren war es der schottische Comicautor Grant Morrison, der Bruce Wayne in seinem aberwitzigen Run an der US-Serie „Batman“ respektive im Mega-Event „Final Crisis“ zur Ruhe bettete. Zumindest augenscheinlich. Das Cape hatte also keinen Träger mehr, doch stand für viele Leser der einzig potentielle Nachfolger bereits fest: Dick Grayson.
Morrison schrieb weiter am Bat-Universum und erzählte in „Batman & Robin“ die ersten Abenteuer von Dick als Caped Crusader an der Seite von Damian Wayne, dem neuen Robin. Doch Bruce kam natürlich zurück und gründete „Batman Incorporated“, eine Serie, die folglich ebenfalls von Morrison geschrieben wurde und den Abschluss von dessen Arbeit an der Figur bildete.
Doch auch wenn Bruce wieder „unter den Lebenden wandelte“ bzw. in unsere Zeit und mehr oder weniger in seine Rolle zurückfand, musste Gotham noch immer mit dem zuvor installierten „Ersatz“ klarkommen. Und genau in diesem Vakuum holte DC Comics einen jungen Autor an Bord, um für die nächsten und letzten Monate vor dem „Flashpoint“ an der Bat-Zweitserie „Detective Comics“ zu schreiben. Ein Autor, der nach dem Kontinuitäten verschmelzenden Event und der Implementierung der „New 52“ die Hauptserie „Batman“ übernehmen und damit zum Superstar avancieren sollte: Scott Snyder.
Snyders Arbeit an der Figur begann also bereits gut ein Jahr vor dem Start seines mittlerweile geschichtsträchtigen Runs an der Seite von Greg Capullo. Zusammen mit Zeichnern Jock und Francesco Francavilla übernahm er „Detective Comics“ für die US-Ausgaben #871 bis 881. Panini Comics brachte die Hefte in den beiden Batman Sonderbänden Nr. 36 und 37.
Die beiden Ausgaben sind natürlich seit Jahren vergriffen und vor allem jüngere Fans beklagten jeher die utopischen Preise, welche die gebrauchten Ausgaben bei Ebay erreichten. Was viele Leser daran hinderte, die Anfangstage von Snyder als Batman-Autor nachzulesen. Doch Panini Comics gab nun nach und brachte das gesammelte US-Paperback „Batman: The Black Mirror“, welches alle Tec-Ausgaben aus der Feder Snyders und somit die Bände „Der schwarze Spiegel“ und „Hungrige Stadt“ beinhaltet. Eine saftige Schelle für alle Spekulanten, möchte man meinen.
Auch wenn ich die beiden ursprünglichen Bände bereits seit Jahren im Regal stehen habe, nutzte ich die aktuelle Gelegenheit die Geschichten noch einmal im neuen Sammelband am Stück zu lesen. Und eins kann ich euch sagen, das solltet ihr auch!
Dick fühlt sich alles andere als wohl in seiner Haut... oder besser gesagt, in seinem Cape. Auch wenn er mittlerweile in Bruces Penthouse eingezogen ist und ihm letztendlich nichts fehlen dürfte, kommt er kaum zu Schlafen. Die Bürde drückt schwer auf seinen Schultern und nagt an ihm. Doch ein neuer Fall steht bereits in der Tür und wird schon für Ablenkung sorgen. Ein ominöser Schwarzmarkthändler verscherbelt bestimmte Raritäten etwaiger Gothamer Schurken an zahlungswillige wohlhabende Bürger. Commissioner Gordon ermittelt bereits in dem Fall und bittet Dick Grayson um Hilfe, denn Wayne Enterprises stellte dem GCPD ein brandneues und voll ausgestattetes Forensiklabor zur Verfügung.
Wie sich herausstellt, ist ein neuer Player in der Stadt, der mehr als nur Dicks forensischer Fähigkeiten bedarf. Darüber hinaus sieht es auch im familiären Dasein der Gordons nicht wirklich berauschend aus, denn James Gordon, Jr. ist wieder zurück in Gotham City. Wie die Geschichte verrät, hat die Familie mittlerweile ein sehr gespaltenes Verhältnis zu James Jr., der scheinbar eine schwere psychische Störung hat und möglicherweise für diverse Vorkommnisse in Barabaras und James’ Kindheit verantwortlich sein könnte. Vorkommnisse, die nie aufgeklärt wurden, doch diese Angst und Befürchtungen hinterließen, dass James Jr. möglicherweise gefährlich sei, ja vielleicht sogar ein Mörder.
Nach vielen Jahren ist James Jr. nun als herangewachsener Mann zurückgekehrt und versucht den Kontakt zu seiner Familie wieder aufzubauen. Doch der Commissioner ist skeptisch: ist James Jr. die Kehrtwende gelungen? Ist ihm Heilung zuteil geworden? Oder ist es sogar viel schlimmer denn je?
Der gut 300 Seiten starke Band enthält die Story-Arcs: „The Black Mirror“, „Skeleton Cases“, „Lost Boys“, „Hungry City“, „Skeleton Key“, „My Dark Architect“ sowie „The Face in the Glass“, welche in der Summe alle aufeinander aufbauen und einen großen Story-Bogen ziehen, dessen roter Faden durch die Handlung rund um James Jr. verdeutlicht wird. Snyder erweist sich hierbei nicht nur sehr schnell als durchaus versierter Charakterautor, sondern auch als dezidierter Kenner der üppigen Batman-Mythologie. Überaus geschickt involviert er hier und dort diverse Hints und Querverweise bekannter Batman-Geschichten.
So findet der korrupte Bulle Jim Corrigan Erwähnung, den wir aus Greg Ruckas und Ed Brubakers „Gotham Central“ Reihe kennen (zwingend lesen!) oder erblicken einen Zeitungsartikel an der Wand über den Plan des Jokers, die Gothamer Trinkwasserversorgung zu vergiften, siehe „Batman: The Man Who Laughs“. Darüber hinaus entdecken wir die Brechstange, mit welcher der Joker den zweiten Robin Jason Todd ermordete (Hinweis auf „Batman: A Death in the Family“) und natürlich die Reaktivierung von James Gordon Jr., der zuvor von Frank Miller in seinem Klassiker „Batman: Year One“ eingeführt wurde und hier fast bei einem Sturz von einer Brücke ums Leben kam.
Ein Sturz, der nun von Snyder als möglicher Auslöser für dessen späteren Psychosen herangezogen wird. Snyder gräbt demnach so tief und gelungen in der Kontinuität, dass die Geschichte stets das Gefühl vermittelt, zu einem großen Ganzen zu gehören, ohne dabei übermäßig zu überfordern, und schafft es dennoch die Tiefe der Figuren nicht aus den Augen zu verlieren.
Besonders Dick Grayson weiß in seiner unfreiwilligen Rolle zu gefallen und es scheint, man habe sogar versucht darauf zu achten, das Kostüm immer ein klein wenig zu groß darzustellen, ein wenig unpassend, aufgetragen, eigentlich nicht für ihn gemacht. Dies alles verschmilzt mit einem mehr als spannenden Thriller, der es tatsächlich vermag noch ein wenig mehr Bitterkeit, noch mehr Dunkelheit aus der sonst schon finsteren Welt von Gothams Vigilanten herauszuholen.
„Batman: Der schwarze Spiegel“ erweist sich abermals als brachial gute Batman-Story, die bis heute mit zu den stärksten Arbeiten Snyders gehört und aufgrund des Handelns in der Pre-Flashpoint-Kontinuität leider viel zu wenig Beachtung erhält. Für mich ein moderner Klassiker, der aufzeigt, wie gut Scott Snyder als Autor wirklich sein kann.
[P_REVIEW post_id=18976 visual=’full’]
Passionierter Fanboy & Comic-Nerd. Ist seit vielen Jahren im Netz als Blogger unterwegs und fungiert als Betreiber und Autor von bizzaroworldcomics.de.
Zudem wirkt er als Autor für Fachmagazine wie Comic.de und stellt 1/3 Sprechblase bei POW! - Ein ComicPodcast. Er lebt mit seiner Frau und seinen Kindern im Harz.
Wie es mit der neue Übersetzunggibts da Fehler oder alles gut
„Für mich ein moderner Klassiker, der aufzeigt, wie gut Scott Snyder als Autor wirklich sein kann.“
Das liest sich ja, als wärst du von der aktuellen Arbeit Snyders nicht sonderlich angetan. Ist das der Grund, weshalb du Batman Metal nicht zu Ende besprochen hast? Deine Meinung zu No Justice würde mich auch interessieren (auch wenn das oben angefügte Zitat vermutlich schon einen Hinweis gibt...).
Die Rezension zu No Justice kommt noch, aber meine zweite Abo-Ausgabe liegt noch in der Post. Nicht alles von Snyder überzeut mich so, wie Black Mirror, das stimmt. Metal hat mich letztendlich zwar sehr unterhalten, fiel jedoch zum Ende hin etwas ab. Ich mache noch mal eine gesammelte Besprechung dazu, wenn das Paperbacl kommt. Wird es jetzt zeitnah auch zu Secret Empire geben, da ich die Events dann nochmal am Stück lese.