Robert E. Howards „Conan“ als Ikone der Popkultur zu betiteln, dürfte im Ungefähren den Standpunkt einer ganzen Fankultur des Cimmeriers entsprechen. Der zu Pulp-Zeiten entworfene Sword-and-Sorcery Krieger wurde von Howard meist in eher weniger kanonischen und zeitlich nicht wirklich bestimmten Geschichten eingebettet, die letztendlich häufig für sich selbst standen. Aufgrund seiner späteren Überdrüssigkeit gegenüber seiner eigenen Figur und sicher auch dem frühen Todes Howards geschuldet, kam es in der Summe nicht zu sonderlich vielen Geschichten - vornehmlich Kurzgeschichten - die aus der Feder des Erfinders selbst stammten.
Erst viele Jahre nach dem Tode des Autors wurde durch Aufarbeitungen und Adaptionen der Mythos Conan weiter geschmiedet. In den 1970ern begann Marvel Comics mit diversen Comicumsetzungen von Howards Geschichten, aber auch Adaptionen des erweiterten Kanons, welche zuvor von Lin Carter und Lyon Sprague de Camp entworfen wurden. Bei Comicfans noch heute zum Kult stilisiert und vielfach neu aufgelegt, erfreuen sich die Marvel Jahre des Barbaren noch immer großer Beliebtheit.
Nach der Jahrtausendwende gingen die Verwertungsrechte an Dark Horse Comics, welche ebenfalls Howard-Adaptionen mit neu entworfenen Geschichten vermischten und so am groß angelegten Conan-Kosmos weiter bastelten. Mittlerweile liegt die Lizenz für „Conan, the Barbarian“ wieder bei Marvel, welche in diesem Januar mit einer neuen Serie aus der Feder von „Thor“ Autor Jason Aaron neustarteten.
Hier in Europa sieht die Welt von Conan jedoch etwas anders aus. Die Figur selbst genießt keinen Schutz mehr durch das europäische Urheberrecht und darf somit frei verwendet werden. Der französische Glénat Verlag startete daher im vergangenen Jahr mit einer zwölfteiligen Albenreihe, welche sich mit jedem neuen Band einer ursprünglichen Howard-Story widmet und mit Liebe zum Detail und Respekt gegenüber der Vorlage daran versucht, eine adäquate Comicadaption des Originalstoffs zu liefern. Jede Geschichte wird dabei von einem neuen Kreativteam aus Autoren und Zeichnern umgesetzt.
Kurz vor dem Jahreswechsel erschienen die ersten beiden Geschichten „Die Königin der schwarzen Küste“ und „Natohk, der Zauberer“ beim Bielefelder Splitter Verlag.
Gleich mit der ersten Ausgabe und der Story „Die Königin der Schwarzen Küste“ widmet man sich einem unwiderruflichen Klassiker aus Howards Geschichtensammelsurium, das bereits zuvor von Comicgrößen wie Roy Thomas und John Buscema oder zuletzt auch Brian Wood und Zeichnerin Becky Cloonan mehr oder weniger erfolgreich umgesetzt wurde. Nun versuchte sich der Zeichner Pierre Alary nach einem von Autor Jean-David Morvan erstellten Skript abermals daran, die Story um die feurige Piratenkönigin Bêlit und ihr Abenteuer mit Conan erneut in Szene zu setzen.
Alarys Darstellung macht schnell deutlich, dass der Conan dieser Geschichte abgesehen vom Namen nur bedingt etwas mit den bekannten Inszenierung für die Leinwand oder auch den prägnanten Zeichnungen von Frank Frazetta gemein hat... und das ist gut so. Die zwar nicht angestaubte aber doch mehrfach inszenierte Handlung bekommt so einen überraschend frischen und dennoch familiären Anstrich verpasst, der die Essenz und das Potential der Abenteuergeschichte dieser Erzählung unterstreicht.
Auf der Flucht vor Recht und Gesetz entert der grimmige Cimmerier ein unscheinbares Handelsschiff und begibt sich mit der Crew Richtung Kush. Doch unterwegs werden sie von einer Horde Piraten überfallen, die von keiner Geringeren als Bêlit, der Königin der schwarzen Küste angeführt wird. Für Conans Schiff geht die Schlacht eher weniger gut aus, doch der Cimmerier ist flexibel und bändelt mit der hübschen Piratnkönigin an, welche das geheimnisvolle Raubein aus dem Norden sofort ins Herz schließt. Die beiden reisen weiter, bis sie in die Gewässer des Flusses Zarkheba einlaufen und ihr Abenteuer ein prompte Wendung nimmt.
Im zweiten Band der Reihe versuchen sich Vincent Brugeas und Ronan Toulhoat an einem weiteren, mehrfach und vor allem erfolgreich adaptierten Klassiker: „Natohk, der Zauberer“.
Die imposante Schlachtenepisode im Dienste Prinzessin Yasmelas erhielt schon so manche gelungene Umsetzung - bspw. in „The Savage Sword of Conan“, wobei Brugeas und Toulhoat mit ihrer cineastischen Darbietung wohl die optisch beeindruckendste abliefern. Dabei bleibt das Script nah an den zentralen Aspekten von Howards Vorlage und fokussiert die Handlung auf den bekannten Werdegang rund um Shevatas, General Conan sowie die riesige Schlacht zum Abschluss der Geschichte.
Zeichner Toulhoat tobt sich auf den doppelseitigen Splash Pages förmlich aus und entwirft epochale Panoramen und komplexe Schlachtengemetzel, die dazu auch noch atemberaubend koloriert wurden. „Natohk, der Zauberer“ funktioniert vor allem optisch und liefert eine respektvolle Adaption in wahnsinnig tollen Bildern.
Die Reihe erweist sich bisher als überaus gelungenes Projekt und es bleibt nur zu hoffen, dass die bereits in diesem Monat erscheinende Umsetzung von „Jenseits des schwarzen Flusses“, inszeniert von Mathieu Gabella und Anthony Jean, das Niveau weiterhin auf Frontalkurs hält. Wenn ja, entblättert sich hier bald eine neue Perle im ohnehin schon umfangreichen Splitter Portfolio.
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Passionierter Fanboy & Comic-Nerd. Ist seit vielen Jahren im Netz als Blogger unterwegs und fungiert als Betreiber und Autor von bizzaroworldcomics.de.
Zudem wirkt er als Autor für Fachmagazine wie Comic.de und stellt 1/3 Sprechblase bei POW! - Ein ComicPodcast. Er lebt mit seiner Frau und seinen Kindern im Harz.