Comic Review: The Amazing Screw-On Head und andere seltsame Dinge (Cross Cult)
Mit „The Amazing Screw-On Head und andere seltsame Dinge“ bringt Cross Cult einen Anthologie-Comic, der schon lange darauf wartet, endlich in Deutschland veröffentlicht zu werden. Die namensgebende Geschichte ist schließlich bereits 16 Jahre alt. Im Jahr 2010 veröffentlichte der Mignola-Hausverlag Dark Horse Comics dann die hiermit jetzt auch im Deutschen vorliegende Anthologie „The Amazing Screw-On Head and Other Curious Objects“, welche neben der Story um den skurrilen Agenten im Dienste Abraham Lincolns auch noch weitere kuriose Geschichten zu erzählen hatte.
TV-Riese Bryan Fuller versuchte im 2006 sogar im Auftrag des Sci-Fi Channels eine Animated-Version, basierend auf den Abenteuern Screw-On Heads, auf die heimischen TV-Bildschirme zu bringen. Leider ging die Produktion nie über den Piloten hinaus. Die Episode könnt ihr euch im Anschluss dieser Besprechung unten anschauen.
Wie bereits oben erwähnt, enthält der vorliegende Band mehrere Geschichten, wobei das One-Shot „The Amazing Screw-On Head“ aus dem Jahr 2002 den Einstieg gibt. Screw-On Head ist ein Agent im Dienst der Regierung Lincolns und dem berühmten Präsidenten direkt unterstellt. Der fiese Imperator Zombie hat einige geheime Schriftrollen gestohlen und sich damit aus dem Staub gemacht, um mit deren Hilfe ein übernatürliche Juwel zu finden, welches ihm Kräfte verleihen soll. Screw-On Head wird folglich beauftragt den Schurken zu stoppen und die Gefahr zu bannen. Die nachfolgende Geschichte ist eine Adaption von Joseph Jacobs’ „Jack and the Beanstalk“, in welcher der junge Abu Gung eine geheimnisvolle Bohnenranke erklimmt, um an dessem Ende auf den Teufel zu treffen. Die Kurzgeschichte „The Magician and The Snake“ stammt in der Grundidee von Mike Mignolas damals siebenjähriger Tochter. Eine Story, die für den späteren Hellboy-Kanon nicht unerheblich sein sollte. Doch dazu später mehr. Fortgesetzt wird der Band dann mit den Geschichten „Die Hexe und ihre Seele“, „Der Gefangene vom Mars“ sowie „Die Kapelle der kuriosen Obejkte“.
Das groteske One-Shot „The Amazing Screw-On Head“ schlug 2002 so sehr ein, dass es im darauffolgenden Jahr mit dem Eisner Award für „the best humor publication“ bedacht wurde. Lakonisch, trocken und mit einem immer dezent-zweifelhaften Augenzwinkern erzählt Mike Mignola hier die Geschichte um den eigenwilligen und ja, auch leicht einfältigen Regierungsagenten und scheint dabei schon beinahe das von ihm so sehr geliebte Pulp-Genre auf den Arm nehmen zu wollen. So vereint er in wenigen Seiten nahezu alles, was er selbst als Autor aber auch Leser liebt: ein altbackenes Setting, Zombies, Vampire und geheimnisvollen Okkultismus à la H.P. Lovecraft.
Fortgesetzt wird der Stil mit den darauffolgenden Geschichten abermals, wobei für mich als Hellboy-Fan vor allem „The Magician and The Snake“ eine gewisse Relevanz hat. Denn diese knappe und unscheinbare Geschichte hat eine schwer zu erklärende aber nicht von der Hand zu weisende Verbindung zu Hellboys Abstieg in die Hölle und dessem vermeintlichen Ende. Nicht nur dreht sich in beiden Geschichten die Handlung mehr oder weniger um den bevorstehenden Tod und die eigene Akzeptanz des besagten Umstandes, vielmehr spielte Mignola in in den Storys mit gewissen Symboliken, die bis dato noch nicht vollständig erklärt wurden. Die am Ende dargestellten Figuren in Form der Kugel, des Würfels und der Pyramide tauchten in der Art genau so auch in Hellboys letztem Abgesang auf, als er seinem Ende entgegenblicken musste. Auch in der textlosen Geschichte „Die Kapelle der kuriosen Obejkte“ werden diese „kuriosen Objekte“ abermals dargestellt. Im Übrigen erhielt auch „The Magician and The Snake“ einen Eisner Award für die „beste Kurzgeschichte“. Für ein siebenjähriges Mädchen, welches dafür als Ideengeberin fungierte, gar nicht so übel, oder?
Abgesehen von dieser Detailverliebtheit, die mein Kanon besessenes Herz regelrecht zum Springen und Grinsen bringt, macht den großen Dreh- und Angelpunkt der Anthologie vor allem die Optik aus. Fans von Mike Mignolas großartigem Zeichenstil kommen hier durchweg auf ihre Kosten, denn an diesen Storys konnte sich der Altmeister über viele Jahre hinweg spürbar austoben. Seine kantigen Designs, düsteren Settings und gruseligen Charakterzeichnungen machen ihn noch heute zu dem, was ein Tim Burton viele Jahre mal für das Popcorn-Kino war: ein Spezialist des Besonderen im Wust der Masse... (also, als Burton noch gute Filme machte und sich nicht selbst kopierte, meine ich). Sei’s drum.
„The Amazing Screw-On Head und andere seltsame Dinge“ ist gewiss nichts für Mignola-Neulinge, dafür sind die Geschichten zu eigenwillig und selbst für seine Verhältnisse zu verspielt-grotesk, trocken und vielleicht auch ein wenig verkopft. Der Charme lässt einen dennoch nicht los, was den Leser stets mit diesem warmen Gefühl im Bauch zurücklässt, gerade etwas Besonderes gelesen zu haben, ohne wirklich definieren zu können, warum. Ein regelrechtes Comic-Bonbon der vergangenen Wochen.
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Der TV-Pilot zu „The Amazing Screw-On Head“ aus dem Jahr 2006:
Passionierter Fanboy & Comic-Nerd. Ist seit vielen Jahren im Netz als Blogger unterwegs und fungiert als Betreiber und Autor von bizzaroworldcomics.de.
Zudem wirkt er als Autor für Fachmagazine wie Comic.de und stellt 1/3 Sprechblase bei POW! - Ein ComicPodcast. Er lebt mit seiner Frau und seinen Kindern im Harz.