Dass DC-Autor Tom King sich gern an diskutablen Publikationen versucht, ist seit seinem „Batman“ Run oder seiner „Heroes in Crisis“ Mini-Serie bekannt. Mit der Maxi-Serie „Rorschach“ bewegt er sich nun abermals auf dem Terrain der Diskussionen zur Frage, ob ein Comic denn wirklich sein muss oder eben nicht.
Ein nach wie vor wundes Thema unter Comicfans ist das Universum rund um Alan Moores und Dave Gibbons „Watchmen“, welches seitens des Verwertungsrechte halteden Verlages, entgegen dem Willen des ideengebenden Autoren des Originalwerkes, nach wie vor mit immer mal wieder aufploppenden neuen Veröffentlichungen ausgeschlachtet wird.
Zuletzt mit Geoff Johns und Gary Franks „Doomsday Clock“, welches versuchte das „Watchmen“ Universum mit den Helden des regulären DC-Kosmos zu verknüpfen. Tom King und Jorge Fornés erweitern mit „Rorschach“ das Universum nun abermals für DCs Black Label Imprint.
Knapp 35 Jahre sind seit den Vorkommnissen aus „Watchmen“ und dem Tod von Walter Kovacs vergangen. Das Land befindet sich im Wahlkampf und einer der beiden Präsidentschaftskandidaten macht sich dabei besonders zur Zielscheibe.
Ein Attentat bei einer Wahlkampfveranstaltung schlägt fehl und die vermeintlichen Attentäter, eine junge Frau als Cowboy verkleidet und ein Mann im Rorschach-Kostüm, werden beim Versuch den Politiker zu ermorden selbst getötet.
Ein nicht näher benannter Detective nimmt die Ermittlungen auf und muss alsbald feststellen, dass die obligatorische Trittbrettfahrertheorie nicht hinhaut und er tiefer graben muss, um diesen Fall zu lösen.
King und Fornés erzählen eine klassische und mehr als subtil gehaltene Crime-Story, die viel Raum für Charakterentwicklungen lässt und den vermeintlichen Protagonisten zur Randfigur macht. Gewissermaßen betreiben die beiden hier einen kleinen Etikettenschwindel, denn mit der schlichten Betitelung „Rorschach“ dürften viele Leser*innen ein eher anderes Konzept von diesem Comic erwartet haben.
Genau das ist einer der Pluspunkte der Story, denn so konnte ich ob meiner eher geringen Erwartungshaltung doch sehr überrascht und vor allem begeistert werden. King erweist sich abermals als versierter Erzähler und wird von Jorge Fornés’ perfekt inszeniertem Artwork begleitet.
Wie beriets vorangegangene Maxi-Serien aus der Feder von Tom King ist auch „Rorschach“ auf insgesamt 12 US-Ausgaben angelegt, wobei die ersten drei Hefte der in den Staaten noch immer laufenden Reihe nun im ersten Panini-Hardcover erschienen sind.
Ein großer wenn auch nicht inhaltlicher Minispunkt war für mich die Coverauswahl der Stuttgarter. Im US-Original fertigt Jorge Fornés die Cover der regulären Ausgaben selbst an, welche alle einen direkten Bezug zum Inhalt der jeweiligen Ausgaben haben. Panini entschied sich dafür - entgegen der ursprünglichen Ankündigung - diese Cover lediglich bei den limitierten und teureren Variants zu verwenden.
Für die regulären Ausgaben nutzt Panini Artworks, welche in den Staaten als Variants erschienen, versehen mit dem Rorschach Schriftzug im gelben „Watchmen“ Design, welcher so im Original durch die Künstler bewusst nicht verwendet wurde.
Sicher stellt Panini so einen offensichtlicheren Bezug zum Originalwerk her, was die Verkäufe steigern dürfte, läuft damit jedoch gänzlich konträr zur eigentlichen Intention der Künstler. In meinen Augen kein guter Schachzug, vor allem gegenüber Leser*innen, welche den Band bereits unter Abbildung des Original-Covers vorbestellt hatten und nun ein gänzlich anderes Cover geliefert bekommen haben.
Zurück zum Comic. Dennoch kaufen? Ja, natürlich. Zwingend sogar. King und Fornés betreiben hier exzellentes Storytelling und sind gewillt uns immer wieder mit nicht zu ahnenden Plot-Twists aus der Reserve zu locken. Noch dazu sieht der Comic fantastisch aus und ja, auch das höhere Hardcover-Format der Stuttgarter tut dem Comic ungemein gut. Eine deutliche Empfehlung, nicht nur für „Watchmen“ Fans.
8/10
Rorschach Bd. 1
- Format: Hardcover (Album) | lim. Variant
- Vö-Datum: 15.06.2021
- Seitenzahl: 76
- Inhalt: US Rorschach #1-3
- Autor*in: Tom King
- Zeichner*in: Jorge Fornés
- Lettering (deutsch): Astarte Design
- Übersetzung: Christian Heiss
- Preis: 15,00 €
Passionierter Fanboy & Comic-Nerd. Ist seit vielen Jahren im Netz als Blogger unterwegs und fungiert als Betreiber und Autor von bizzaroworldcomics.de.
Zudem wirkt er als Autor für Fachmagazine wie Comic.de und stellt 1/3 Sprechblase bei POW! - Ein ComicPodcast. Er lebt mit seiner Frau und seinen Kindern im Harz.
Reicht es nur Watchmen davor gelesen zu haben oder baucht man umbedingt auch Before Watchmen und Doomsday Clock?
Grüße Dennis
Watchmen reicht, denke ich. Zu den andern Titeln habe ich bisher keinen wirklichen Bezug entdeckt.