Mit „Eine Studie in Smaragdgrün“ hat sich der Dantes Verlag einen echten Hochkaräter der US-Indie-Comics unter den Nagel gerissen, der mich - und bekanntermaßen auch meine beiden Kollegen bei POW! - gewaltig vereinnahmen konnte.
Eine Adaption einer Adaption eines Originalwerks möchte man bei diesem eigenwilligen Projekt fast meinen. Basiert die abgeschlossene Graphic Novel doch auf Neil Gaimans mit dem Hugo und Locus Award ausgezeichneten, gleichnamigen Kurzgeschichte „A Study in Emerald“, welche wiederum auf Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes Geschichte „Eine Studie in Scharlachrot“ zurückzuführen ist. Wer das Gaiman-Original in englischer Sprache lesen möchte, kann dies im Übrigen hier tun. Jap, kostenlos und schick aufbereitet.
Kein Geringerer als Comic-Guru Rafael Albuquerque tat sich mit Kollege Rafael Scavone zusammen, um Gaimans Kurzgeschichte in Comicform zu gießen. Zudem wurde das visuelle Wunderwerk auch noch von Kolorist Dave Stewart (u.a. „Hellboy“, „Black Hammer“) farblich ausgestaltet. Ein mehrfach preisgekröntes Künstlergespann also.
In den USA erschien die Geschichte vor gut zwei Jahren über Dark Horse Comics, wobei wir uns nun endlich über eine deutsche Übersetzung freuen dürfen.
In dieser Geschichte kreuzen sich erstmals die Wege zweier mehr oder weniger bekannter Figuren aus Londons Baker Street, wobei es ein Mediziner und Afghanistan-Veteran mit einem Detektiv zu tun bekommt, welcher die Kunst der Deduktion bis ins kleinste Detail zu beherrschen vermag.
Ein Mordfall will gelöst werden, welcher die beiden Ermittler nicht nur durch die Slums der Stadt führen wird, sondern auch direkt in den Königspalast, in der ein Auftrag in höchsten Ehren aus sie wartet. Doch haben es die beiden noch nie mit einem so gewieften Gegenspieler zu tun bekommen, welcher die Hetzjagd durch die Nächte Londons in einen blanken Horror zu verwandeln mag.
ab hier SPOILER...
Die visuell unglaublich schön umgesetzte Geschichte vermischt - wie bereits die Vorlage - auf ganz eigenwillige Weise die Welt Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes und Dr. Watson mit den Horror-Elementen aus H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos.
Die Großen Alten sind niedergekommen und haben die Geschicke der königlichen Gesellschaften übernommen, um über die in Unwissenheit zurückgelassenen Menschen zu herrschen. Als einer der Ihren ermordet wird, sollen die beiden vermeintlichen Detektive den Täter ausfindig machen.
Wie bereits Gaiman arbeiten sich Albuquerque und Scavone gekonnt an beiden Welten ab und verweben stellenweise auch Anspielungen anderer literarischer Erzählungen, wie bspw. Stokers „Dracula“ oder auch Dr. Jekyll & Mr. Hyde.
Dabei werden immer wieder kleine Hinweise platziert, die auf den großen Plot-Twist zum Ende hinweisen und für jede Menge Spaß beim Mehrfachlesen sorgen dürften. Da ich bis zu diesem Comic die Gaiman-Kurzgeschichte nicht kannte, traf mich das Ende richtig hart.
Neben den großartigen Zeichnungen Albuquerques und der tollen Farbgebung Stewarts beeindruckt vor allem die detailversessene Übersetzungsleistung von Jens R. Nielsen, welche nicht nur mit Dutzenden Vermerken innerhalb der Seiten glänzt, sondern noch ein zusätzliches Glossar am Ende des Bandes spendiert, welches Anspielungen und literarische wie historische Querverweise aufschlüsselt. Chapeau!
Holmes und Lovecraft Fans sollten sich „Eine Studie in Smaragdgrün“ keinesfalls entgehen lassen und alle anderen Comic-Freunde müssen dieser wunderbaren Erzählung zumindest eine Chance geben. In diesen Wochen könnt ihr die 22,00 Euro Coverpreis kaum besser investieren.
9/10
Eine Studie in Smaragdgrün
- Format: Hardcover
- Vö-Datum: 10.03.2020
- Seitenzahl: 92
- Autor*in: u.a. Rafael Albuquerque
- Zeichner*in: Rafael Albuquerque
- Übersetzung: Jens R. Nielsen
- Preis: 22,00 €
Passionierter Fanboy & Comic-Nerd. Ist seit vielen Jahren im Netz als Blogger unterwegs und fungiert als Betreiber und Autor von bizzaroworldcomics.de.
Zudem wirkt er als Autor für Fachmagazine wie Comic.de und stellt 1/3 Sprechblase bei POW! - Ein ComicPodcast. Er lebt mit seiner Frau und seinen Kindern im Harz.
Der Twist war cool, hab ich echt nicht kommen sehen, ist zwar gut abgeschlossen, aber ein Sequel würde mich auch freuen.