„Deine Hoheit soll das nachtberrschte Land regieren“
Wer sich mit der japanischen Mythologie beschäftigt, kommt nicht an Wörtern wie Kami (jap. für Gott) oder Yōkai (jap. für Dämon) vorbei. Einer dieser Götter ist Tsukuyomi no mikoto, welcher der Legende nach von seinem Vater beauftragt wird, über das nachtbeherrschte Land zu regieren.
Wie treffend also, dass „Steam Noir“ Co-Schöpfer Felix Mertikat eben den Titel „Tsukuyumi“ für seinen Comic gewählt hat. Denn in diesem stürzt der durch den Menschen verletzte Mondgott samt seiner Hülle auf die Erde und verändert das Leben gänzlich.
Was einst als Kickstarter-Projekt für ein Boardgame begann, fand außerdem durch diesen Comic eine für die Spieler durchaus wertvolle und sehr liebenswert gestaltete Ergänzung, die den Background der einzelnen Figuren und Fraktionen des Spiels näher bringen sollte. Was habe ich mir nicht schon zu einigen Boardgames ein vergleichbares Add-on gewünscht, vor allem, da so manchem Game etwas sequentielle Literatur zum Stoff durchaus gut getan hätte. Umso kreativer finde ich die Idee, mit der Mertikat die Welt des eigentliches Spiels hier näher beleuchtet.
Doch nicht nur für Liebhaber des Spiels sollte dieser Comic ein gelungener Zeitvertreib werden, sondern auch für den ein oder anderen Comicfan - so erhoffte ich es mir zumindest. Leider bin ich als großer Freund der „Steam Noir“ Reihe etwas blind an das Schmökern dieses Bandes herangegangen und hatte mir unbedarft gegenüber der eigentlich Spiels etwas mehr Story erhofft.
Was sich für mich aufgrund einer deutlich anderen Erwartungshaltung gegenüber dem Comic als ziemliche Überraschung herausstellte, ergab im weiteren Leseverlauf trotzdem einen interessanten Gesamtkontext. So lernt man nicht nur die einzelnen Fraktionen mit Hilfe von kurzen Erzählungen kennen, sondern auch die Hintergrundgeschichte warum Tsukuyumi denn auf die Erde gestürzt ist und nun seinen schrecklichen Einfluss verbreiten und das Leben, so wie es einst war, für immer auszulöschen versucht.
Bemerkenswert dabei ist, dass Mertikat sich gleich mehrere Autorinnen und Autoren eingeladen hat, welche die Begebenheiten auf der vom Mond veränderten Erde komplett differenziert interpretieren. So erscheint dieses kreative Schmankerl zwar sehr abwechslungsreich, doch wirkt es für mich im Gesamtkontext manchmal nicht ganz schlüssig.
Ich hoffe jedoch, dass einige der hier aufgeworfen Fragen in potentiellen Nachfolgebänden noch beantwortet werden, denn die Erzählweise macht natürlich auch an der ein oder anderen Stelle gehörig neugierig. Was viele auch als relativ abgeschlossene kleine Erzählungen ansehen, weckt bei mir gerade die Lust mehr über die einzelnen Charaktere zu erfahren.
So finden wir den Cybersamurai, der sein Leben lang danach trachtet, in die reale Welt hinauszutreten, am Ende seiner Erzähllinie wieder, wie er einen Chip implantiert bekommt, für „bereit“ befunden wird und nun in die Welt hinaustreten darf. Das ist für mich persönlich kein Ende, sondern erst der Anfang. Ich brenne darauf zu erfahren, wie es mit dem Mann mit Schwert weitergeht.
Mertikats Zeichnungen stehen wie immer für sich allein. Ich bin ein Fan erster Stunde. Sein Zeichenstil catcht mich jedes Mal aufs Neue und ich würde wahrscheinlich jeden Band lesen, den dieser Mann mit Stift und Pinsel zu Papier gebracht hat.
Somit ist für Fans des Boardgames dieser Comic sicherlich eine echte Bereicherung, welche Welt und Mythologie ergänzen und dem Spielspaß zuträglich sein dürfte. Mich als Comicleser lässt er allerdings etwas ausgehungert zurück. Ich will mehr von dieser Welt, mehr von den Charakteren und definitiv mehr von den Cybersamurai. Deswegen hoffe ich, dass der nächste Band zu „Tsukuyumi“ und der Welt nach dem „Full Moon Down“ nicht allzu lang auf sich warten lässt.
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Vollblut-Nerd, Gamerin, Whovian & Gelegenheits-Bloggerin.
Oh, neue Autorin im Blog? Wie kommt das denn? Toller Einstand ?
Mir ging es damals ganz ähnlich. Hätte gern noch mehr aus der Welt gelesen doch bisher ging es nicht weiter. ?