Interview: Julian Voloj - im Gespräch mit dem Autor der Graphic Novel „Joe Shuster - Vater der Superhelden“

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Interview: Julian Voloj - im Gespräch mit dem Autor der Graphic Novel „Joe Shuster - Vater der Superhelden“

Vor einigen Wochen stieß ich auf die neue Graphic Novel des deutschen, mittlerweile in New York lebenden Autors Julian Voloj, der zusammen mit dem italienischen Zeichner Thomas Campi in „Joe Shuster: Vater der Superhelden“ den Leidensweg von Joe Shuster und Jerry Siegel, den Schöpfern von Superman, in einer autobiografischen Erzählung porträtierte.
Der Comic erschien jüngst bei Carlsen und wurde nach der ersten Sichtung bei mir prompt zum „Comic des Monats“ gekürt. Grund genug sich aufzumachen und das Gespräch mit dem Autor zu suchen, denn die erschreckend detaillierte Erzählung eines gnadenlosen an zwei Künstlern verübten Unrechts lässt nicht nur Fans von Superman und Co. mehr als nachdenklich über den Bücherrand schauen.

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Emu: Hallo Julian, ich danke dir, dass du dir so kurz vor deinem Urlaub die Zeit nimmst. Wie geht’s dir heute?

Julian: Keine Ursache. Freue mich schon, wieder Energie zu tanken. Arbeite momentan fast non-stop an interessanten Projekten und brauche dringend eine Pause.

Emu: Du widmest den Titel deiner Graphic Novel einem der beiden Schöpfer von Superman. Warum Joe Shuster und nicht Jerry Siegel? Und warum nicht beiden?

Julian: Es geht schon um beide, aber Joe ist der Erzähler und steht daher im Mittelpunkt. Die Geschichte wird aus seiner Perspektive erzählt, was mir erlaubt, bestimmte Dinge anzudeuten und mit der Realität zu spielen, da er bestimmte Dinge nicht wissen konnte.
Dass er zum Protagonisten der Graphic Novel wurde war eher Zufall. Ich hatte eigentlich vor, die Geschichte in der dritten Person zu erzählen, doch dann bekam ich – als erster Forscher! – Zugang zu einer Kisten mit Briefen und Dokumenten aus dem Nachlass von Joe Shuster, die der Columbia University hier in New York gespendet wurden. Als ich vom Leid Shusters im O-Ton las, wurde mir klar, dass ich ihn aus dem Schattendasein ins Rampenlicht bringen wollte. Zeitlebens stand er ja immer im Schatten seiner Figur Superman und seines kreativen Partners Jerry Siegel.

Emu: Du begannst mit den Arbeiten am Buch bereits bevor Thomas als Zeichner zum Projekt dazustieß. Wie kam es für dich überhaupt dazu, dass du eine Geschichte über die Macher von Superman erzählen wolltest?

Julian: Mich hat die Ursprungsgeschichte der amerikanischen Comics schon immer fasziniert und ich kenne hier in New York viele Comicveteranen, die mir viele faszinierende Anekdoten erzählten. Mir war klar, dass da ein toller Stoff für ein Comic ist, und da niemand anders das tat, nahm ich das selbst in die Hand. Ich fing 2013 meine Recherche vor Ort in Cleveland an und erzählte danach meinem Agenten von der Idee. Als ich den ersten Entwurf des Skripts hatte, suchten wir dann gemeinsam nach dem idealen Zeichner. Thomas’ Portfolio überzeugte mich sofort, und ihm gefiel mein Skript auch auf Anhieb. Da Thomas in Australien lebt, kommunizierten wir meistens via Email und Skype und trafen uns erst dieses Jahr zum ersten Mal hier in New York.

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Emu: Wenn ich mir vorstelle, für solch eine Geschichte recherchieren zu müssen, eine Geschichte, die ein Paradebeispiel für das Unrecht darstellt, das amerikanischen Comickünstlern Jahrzehnte lang widerfuhr, muss das doch gewirkt haben, als würde man auf den Spuren eines Verbrechens wandeln!? Kannst du uns etwas über die Recherchearbeit für das Buch erzählen?

Julian: Stimmt absolut. Und je mehr man weiß, desto wütender macht einen das Unrecht, dass Siegel und Shuster widerfahren ist. Wie gesagt, fuhr ich zunächst nach Cleveland, um mir dort ein Bild des Viertels zu machen, in dem die beiden aufwuchsen. Heute ist es leider eine eher ärmliche Gegend mit hoher Kriminalitätsrate.
Es gibt zum Thema ein paar gute Bücher, die ich las, dann alte Comics aus der Zeit, von denen viele nun digitalisiert sind, interviewte Experten, die mir teilweise Einblick in ihr Privatarchiv gaben, und dann las ich die bereits genannten Briefe von Shuster, die sich in der Sammlung der Columbia University befanden.
Im Internet kann man auch noch alles mögliche finden, so etwa alte Schülerzeitung mit Beiträgen der beiden, Radiointerviews, Videos vom Superman-Day auf der Weltausstellung in Queens, den Originalcheck usw.

Emu: In „Ghetto Brother“ erzähltest du vor einigen Jahren die Geschichte von Benjamin Melendez, dem einstigen Anführer der „Ghetto Brothers“. Bist du in der Shuster Story als Autor konzeptionell ähnlich vorgegangen oder gab es Unterschiede in deiner Herangehensweise an das Projekt?

Julian: Auch wenn der Erzählstil schon ähnlich ist, so war die Arbeit sehr unterschiedlich. „Ghetto Brother“ basierte hauptsächlich auf Interviews, die ich wie ein Journalist mit alten Aktivisten durchführte. Das „Joe Shuster“ Buch basiert auf Sekundärliteratur und Recherche, die ich wie ein Wissenschaftler betrieb. Während ich bei „Ghetto Brother“ mehr Spielraum hatte, so ist fast jede Szene bei „Joe Shuster“ verifizierbar, da es ein sehr sensibles Thema ist. Die amerikanische Ausgabe hat sogar fast 20 Seiten Endnoten, wo ich alle Quellen des Buches aufliste. Die deutsche Ausgabe hat dafür ein kurzes Essay, in dem ich den Entstehungsprozess erzähle.

Emu: Ich las euren Comic vor einigen Wochen, kurz darauf lag endlich meine US-Ausgabe von Action Comics #1000 in der Post, welche ich mit etwas Wehmut aus dem Briefkasten holte... 999 Ausgaben nach dem verwerflichen Scheck über 135 Dollar. Es fällt wirklich schwer beim Kontakt mit der Figur, egal in welcher Form, nicht an die von euch erzählte Geschichte denken zu müssen. Habt ihr bereits Reaktionen aus der US-Comicszene erhalten, vielleicht von Künstlern, Verlagen oder gar den Familien von Shuster und Siegel?

Julian: Ja, das Interesse an dem Buch ist schon überwältigend. Im Gegensatz zu den meisten deutschen Lesern kennen viele Fans hier in den USA die Geschichte, auch wenn nur oberflächlich. Viele dankten uns, dass wir neues Interesse an dem Thema wecken. Unter anderen meldete sich Phil Yeh, der ja hinter den Kulissen half, die Rente für Siegel und Shuster zu sichern, und auch ein Freund von Joes Neffen, dem Sohn seiner Schwester, meldete sich und dankte uns für das Buch.

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Emu: Im Nachwort des Comics hast du angegeben, dass du selbst mit Richard Donners „Superman“ Film aufgewachsen bist, ohne damals die Hintergründe zur Figur und den Machern zu kennen, über die du viele Jahre später selbst einmal berichten würdest. Wie hat sich mit der Fertigstellung des Comics deine eigene Beziehung zur Figur Superman verändert?

Julian: Ich denke natürlich nun immer an Siegel und Shuster, wenn ich Superman sehe, und hoffe, dass es anderen auch so geht. Das Schicksal der beiden war ja kein Einzelfall und viele der Pioniere erlebte ähnliche Schicksale, während die Verlage Millionen machten. Das Buch ist eben auch eine Parabel über den eiskalten amerikanischen Kapitalismus.

Emu: So ziemlich genau im Dezember wird der erste „Superman“ Film 40 Jahre alt, nur sind heutzutage die Kinos bis an die Schmerzgrenze gefüllt von Helden und Figuren, die Männer wie Joe Shuster und Jerry Siegel schufen. Zwar erhalten die Künstler mittlerweile ihre Credits auf der Leinwand, doch sollen die Verlage und die dazugehörigen Produktionsfirmen noch immer recht spärlich mit der Bezahlung der einschlägigen Comickünstler umgehen, wie bspw. Jim Starlin berichtete, der für die Verwendung des von ihm geschaffenen Thanos in den aktuellen Marvel Filmen kaum nennenswerte Entlohnung erhielt. Bist du der Meinung, dass seit dem Eklat um den Betrug an Shuster und Siegel etwas Bewegung ins Verhältnis der Künstler zu ihren jeweiligen Comicverlagen gekommen ist? Gibt es deiner Meinung nach noch immer Bedarf zur Aufarbeitung?

Julian: Ganz klar gibt es Bedarf zur Aufarbeitung. Die Anerkennung von Bill Finger, zum Beispiel, der ja nun als Miterfinder von Batman offiziell genannt wird, mehr als 40 Jahre nachdem er in Armut allein in seiner Wohnung starb, ist ein Beispiel dafür. Anfang des Jahres wurde darüber berichtet, dass Bill Messner-Loebs obdachlos in Detroit lebt, und sein Name erschien in den Credits des „Wonder Woman“ Films. Ein Skandal. Von Credits allein kann man halt nicht leben.

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Emu: Der Carlsen Verlag beschrieb eure Story mit den Worten, Thomas und du würden von „einer etwas anderen Art des American Way of Life“ erzählen. Die Aussage empfand ich sehr treffend, denn das was Shuster und Siegel widerfuhr, scheint ein deutlich realistischeres Bild des „amerikanischen Traums“ wiederzugeben, als es popkulturell auch heute noch stilisiert wird. Du selbst lebst seit einigen Jahren in New York. Wie siehst du das, gibt es einen wirklichen „amerikanischen Traum“?

Julian: Einen Traum vielleicht noch, doch in Realität ist es leider hier so, dass die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer. Der amerikanische Traum ist ein Mythos, den es vielleicht so nie gegeben hat, aber zumindest war es ein Zeit lang möglich, einen sozialen Aufstieg zu schaffen, der so nirgendwo anders möglich ist. Viele Dinge, die ich in New York erreicht habe, hätte ich nirgendwo anders erreichen können, und dies ist etwas, was ich an dem Leben hier liebe, andererseits gibt es wirklich kein soziales Netz und man kann schnell abstürzen, was man im Falls von Siegel und Shuster sehen kann.
Last, but not least, ist dies auch ein Land, im dem Großkonzerne oftmals eine card blanche haben und gegen die ein Individuum nur selten eine Chance hat. Im Fall von Siegel und Shuster waren es am Ende die besseren Anwälte, die deren Schicksal entschieden.

Emu: Was hält die Zukunft für Julian Voloj bereit, gibt es bereits Pläne für das nächste Projekt?

Julian: Ich arbeite an ein paar spannenden Projekten, die demnächst erscheinen werden. Allzu viel kann ich noch nicht verraten, aber es sind wieder ganz unterschiedliche Geschichten, die es wert sind, ins Rampenlicht gesetzt zu werden.

Emu: Julian, ich danke dir abermals für deine Zeit und ganz besonders für das wunderbare und hoffentlich noch viel diskutierte Werk, das Thomas und du geschaffen haben. Die abschließenden Worte gehören dir.

Julian: Für diejenigen, die einen Blick hinter die Kulissen werfen wollen, bitte folgt unserer Facebook Seite:  www.facebook.com/JoeShusterSuperman
Ich danke Dir für das Interesse an unserem Buch und hoffe, dass viele Deiner Leser unsere Graphic Novel kaufen und weiterempfehlen, denn nichts ist besser als persönliche Empfehlungen.

Joe Shuster - Vater der Superhelden“

erschienen im Carlsen Verlag als Hardcover Ausgabe
19,99 Euro
ISBN 978-3-551-76920-6

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(Picture Copyright: Carlsen / Super Genius)

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Marc
Marc
16. August 2018 13:38

Ein tolles Interview. Danke dafür. Den Comic hatte ich zuvor nicht auf dem Radar,wurde aber umgehend geordert. ?