Interview: Im Gespräch mit Ben Stenbeck - Zeichner von „Hellboy und die B.U.A.P.: 1953“, „Frankenstein Underground“ und „Baltimore“

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Interview: Im Gespräch mit Ben Stenbeck - Zeichner von „Hellboy und die B.U.A.P.: 1953“, „Frankenstein Underground“ und „Baltimore“

Interview: Im Gespräch mit Ben Stenbeck

Ben Stenbeck arbeitet seit 10 Jahren kontinuierlich mit Hellboy-Schöpfer Mike Mignola zusammen. Beide schufen Geschichten wie „B.U.A.P.: Der ektoplasmische Mann“, „Frankenstein Underground“ oder auch den großartigen ersten Zyklus von „Baltimore“. In der kürzlich veröffentlichten fünften Sammlung der „Geschichten aus dem Hellboy-Universum“  (hier die Besprechung zur Collection) ist nun erstmals eine Story des Witchfinder enthalten, welche ebenfalls von Mr. Stenbeck zum Leben erweckt wurde.
Ihr seht, der Mann hat einiges vorzuweisen. Ich freue mich daher sehr, dass ich die Chance bekam, ein Gespräch mit Ben zu führen und ihn etwas über seine bisherige und zukünftige Zusammenarbeit mit Mike Mignola auszuquetschen. Viel Spaß dabei!

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Sir Edward Grey aus Witchfinder

Emu: Hallo Ben, vielen Dank dass du dir die Zeit nimmst. Wie geht’s dir?

Ben: Mir geht’s ziemlich gut, vielen Dank.

Emu: Ich habe gerade erst die neuste Collection „Geschichten aus dem Hellboy-Universum“ von Cross Cult Comics gelesen und darin war die erste Witchfinder Mini-Serie „In the Service of Angels“ enhalten, deine zweite Zusammenarbeit mit Mike Mignola. Wie fühlt es sich an, dass deine Arbeit nun, 8 Jahre nach der Originalveröffentlichung, in Deutschland erscheint?

Ben: An sich war dies sogar meine erste Zusammenarbeit mit Mike. Davor habe ich an einer Single-Issue gearbeitet, die den Ursprung von Johan Kraus beleuchtete, welche von John Arcudi geschrieben wurde. Es fühlt sich schon etwas seltsam an, das nun wieder auf dem Schirm zu haben. Ich habe mir die Story seit Jahren nicht mehr angeschaut.
Außerdem habe ich gerade eine weitere Witchfinder Mini-Serie namens „City of the Dead“ beendet, geschrieben von Chris Roberson, daher ist der Zeitpunkt schon wirklich etwas seltsam, nach so langer Zeit. Aber ich hoffe, die Leute finden Gefallen daran. Es ist eine wirklich tolle Geschichte von Mike.

Emu: Oh, ich wusste gar nicht, dass „Der ektoplasmische Mann“ von John Arcudi allein geschrieben wurde. Ich habe noch diesen wunderbaren limitierten One-Shot von Cross Cult im Schrank, den du 2012 signiert hast. Wie kam es damals dazu, dass du für diesen Mignolaverse-Comic angeheuert wurdest?

Ben: Danke! Ich hatte gerade meine erste Dark Horse Serie, einen Zombie-Comic namens „Living with the Dead“ beendet und fragte mich, was ich wohl als nächstes machen würde. Da bekam ich eine Mail von meinem Redakteur, der meinte, Mike hätte „Living with the Dead“ gelesen und würde mir gern testweise einen Job anbieten. Und das war „Der ektoplasmische Mann“.
Das Resultat gefiel Mike so sehr, dass er mir den Job für die erste Witchfinder Story anbot und seit dem läuft es immer so weiter. Ich habe wirklich Glück mit meiner Karriere, seit 10 Jahren durchweg für Jobs gebucht worden zu sein.

Emu: Kannst du uns etwas über die Entstehung von „In the Service of Angels“ erzählen? Wie kam Mike mit der Idee und dem Charakter auf dich zu und war es von Anfang an geplant, die story inhaltlich mit deinen späteren Arbeiten an „Frankenstein Underground“ oder auch „Hellboy In Hell“ zu verbinden?

Witchfinder-Hellboy-vergleich
Links: „Witchfinder: In the Service of Angels“ #02 / Rechts: „Hellboy in Hell“ #04

Ben: Im Detail wirst du da Mike fragen müssen. Aber es liegt auf der Hand, dass er einige solcher Verbindungen im Kopf hat. Bei „In the Service of Angels“ gibt es ein Panel, in dem Mike etwas ganz spezifisch dargestellt haben wollte, ein Panel in dem Fleisch wieder zusammen genäht wird. Für mich war das einfach nur ein recht cooles und atmosphärisches Bild, welches auf Edward Greys Schicksal anspielte. Und dann, 6 Jahre später, wiederholt Mike dieses spezifische Panel in „Hellboy in Hell“, als hätte er bereits damals gewusst, dass dieses Panel dort noch einmal Verwendung finden würde.
Er hat immer im Kopf, wohin die Reise gehen soll. Manche Verbindungen zu „Frankenstein Underground“ bezog Mike bewusst auf „In the Service of Angels“, einfach nur, weil ich die Geschichte damals gezeichnet hatte. Ich weiß nicht mehr genau was es war, aber ich erinnere mich, dass er es einmal erwähnte. Doch letztendlich verbindet Mike alle seine Geschichten miteinander, manchmal sehr offensichtlich und manchmal nur in kleinen Details.

Emu: Ja, seine Geschichten sind wie Schatztruhen, jedes Mal wenn du eine öffnest, findest du etwas, das dir bisher nicht aufgefallen ist. Bezugnehmend auf die erste Witchfinder Geschichte: dieses historische, viktorianische Setting, aber auch das Storytelling, voll von ruhigen Szenen und Dialogen, fühlte sich beim Lesen ganz anders an, als deine späteren Arbeiten, wie bspw. „Frankenstein Underground“. Hast du während der Arbeit an den Geschichten bestimmte Unterschiede in deiner Vorgehensweise als Zeichner bemerkt?

Ben: Ich habe „Frankenstein Underground“ gut 5 Jahre nach „In the Service of Angels“ gezeichnet. Zwischen der letzten Seite vom Witchfinder und der ersten Seite Frankenstein lagen jedoch noch 500 von mir gezeichnete Baltimore Seiten. Ich denke also, ich bin einen weiten Weg gegangen und habe in der Zeit viel gelernt. „Frankenstein Underground“ fühlt sich für mich etwas lockerer, aber auch energetischer an. Aber letztendlich sind es zwei sehr unterschiedliche Geschichten. Beim Witchfinder legten wir es quasi direkt darauf an, etwas verhaltener und reservierter zu erzählen, da es nun mal eine Detective-Story im viktorianischen England ist, während „Frankenstein Underground“ eher in die Richtung Edgar Rice Burroughs Abenteuer geht.

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Szene aus „Frankenstein Underground“

Emu: Und welche von beiden Geschichten war für dich als Künstler die größere Herausforderung?

Ben: Ich denke, der Witchfinder war da etwas anspruchsvoller. Vielleicht finde ich es aber auch einfach nur schwieriger Geschichten zu zeichnen, die einen ernsteren Ton haben. Ich weiß nicht, ich mag solche Geschichten eigentlich, aber es ist beim Zeichnen einfacher für mich, wenn die Storys etwas unbeschwerter erzählt werden. Was sehr seltsam ist, denn die Geschichten, die ich selbst schreibe, haben einen durchweg ernsten Ton.

Emu: Kannst du uns etwas über das Gestalten der Monster erzählen, die du in den Mignola-Comics verwendest?

Ben: Es ist großartig die Gelegenheit zu bekommen, neue Kreaturen zu gestalten. Ich sehe mich diesbezüglich jedoch selbst nicht als ein großer Designer. Ich habe beim Zeichnen kein spezifisches Ziel, es muss sich einfach richtig anfühlen. Daher versuche ich die Dinge immer etwas sonderbar, immer etwas anders anzugehen. Wie Dinge, die ich bisher noch nicht so oft woanders gesehen habe. Doch es sollte machbar bleiben und die Wesen sollten Angewohnheiten und Verhaltensweise aufweisen, die über die gezeichnete Seite hinausgehen. Ich weiß nicht, ob irgendetwas davon wirklich rüber kommt, aber ich versuche es zumindest.

Emu: Hat sich dein Zeichenstil im Zeitlauf deiner Karriere verändert und kannst du uns etwas über deinen gegenwärtigen Arbeitsprozess erzählen?

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Stenbeck Variant Cover zu „Baltimore: Dr. Leskovar’s Remedy“ #01

Ben: Nun, ich empfinde da selbst eine ziemlich lineare Entwicklung in meiner Arbeit, so dass sich jedes neue Buch besser anfühlt, als das davor. Mittlerweile wird das Zeichnen routinierter und weniger stressig. Die Arbeit an der ersten Witchfinder Story war eine regelrecht nervenaufreibende Angelegenheit. Ich hatte andauernd diesen Satz im Kopf: „Ich habe keine Ahnung wie ich das zeichnen soll. Ich versage hier völlig!“.
Doch seit meiner Tätigkeit an „Frankenstein Underground“ sowie dem aktuellen Projekt wurde es entspannter. Ich habe zwar immer noch einen Hauch von „Ich habe keine Ahnung wie ich das zeichnen soll. Ich versage hier völlig!“ an mir, aber mittlerweile kümmert mich das nicht mehr so wie früher.
Ich zeichne normalerweise an einem Cintiq vor (Anm. ein großes, grafisches Tablet zum Zeichnen), drucke es dann aus und übernehme das Tuschen auf dem Zeichenbrett. Ich denke nicht, dass ich jemals auch digital tuschen könnte und außerdem ist es recht schön, richtige Seiten vorweisen zu können.

Emu: Welches Projekt, an dem du zusammen mit Mignola gearbeitet hast, gefiel dir bisher am meisten?

Ben:Frankenstein Underground“, die Geschichte hat eine dermaßen großartige Atmosphäre. Aber auch „Hellboy: The Witch Tree“ (Anm. erscheint im kommenden Hellboy Solo-Band), eine Kurzgeschichte, die ich sehr mochte und gern zeichnete. Punktsieg für mich, könnte man sagen. Daves Kolorierung (Anm. Dave Stewart, koloriert nahezu alle Mignola-Comics) der Geschichte war regelrecht perfekt und ich hatte Seite für Seite nur coole Sachen zu zeichnen. Doch ich denke, das Projekt an dem ich gerade sitze ist meine bisher beste Arbeit.

Emu: Das ist wirklich interessant. Ich mochte das Frankenstein-Buch sehr, doch wenn ich als Comic-Leser an die Artwork von Ben Stenbeck denke, ist das Erste was mir in den Kopf schießt, diese wunderbare Baltimore Collection, welche ich im Spätsommer 2015 las. Sie hatte diese durch und durch diabolische Atmosphäre und einen wahnsinnig starken Hauptcharakter. In meinen Augen ein perfektes Buch. Also, woran arbeitest du gerade?

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Szene aus „Hellboy: The Witch Tree“

Ben: Danke dir. Als ich über meinen persönlichen Favoriten sprach, wollte ich damit nicht all meine anderen Arbeiten herabwürdigen. Ich genoss jeden Job, den ich bisher hatte. Und ich bin dankbar, für diese große Referenz, die ich mit Baltimore vorweisen kann. Mehr als alles andere bin ich froh und stolz über diese Atmosphäre, die ich mit diesem Buch erschaffen konnte. Ich wollte den Eindruck erzeugen, als würde die gesamte Welt nach verrottendem Fisch stinken. Ich denke, das hat funktioniert und die Welt der Story hat einen schauderhaften Eindruck hinterlassen.

Über das aktuelle Projekt kann ich noch nicht viel sagen, außer dass es 6 Ausgaben umfassen wird und Mike sie persönlich schreibt. Ich denke aber auch, vor 2018 wird da nichts veröffentlicht. Es beinhaltet all die Dinge, die ich bereits als Kind gern zeichnete, bevor ich das Interesse verlor und mich dem Horror und der Scince-Fiction widmete. Doch jetzt wieder so etwas zu zeichnen, macht einfach nur Spaß.

Emu: Diesen August wird Cross Cult im 16. Hellboy Band „Hellboy und die B.U.A.P.: 1953“ veröffentlichen. Du hast einige der dort enthaltenen Kurzgeschichten gezeichnet. Kannst du uns sagen, was die deutschen Leser von dem Buch erwarten können?

Ben: Es ist ein ziemlich cooles Buch, das u.a. die „Hellboy: The Witch Tree“ Kurzgeschichte enthält, die ich vorhin erwähnte sowie noch einige andere kurze Abenteuer von Hellboys Zeit in England. Nicht selten sind Mikes Kurzgeschichten mir die liebsten. Außerdem wird noch eine extrem gute Story von Chris Roberson und Paolo Rivera enthalten sein (Anm. „Hellboy: Beyond the Fences“).

Emu: Hat Ben Stenbeck noch einen unerfüllten Lebenstraum? Ist da etwas, das du unbedingt in deiner Karriere noch zeichnen willst?

Ben: Ich habe Jahre lang davon geträumt, einen viktorianischen Horror-Comic zu zeichnen, der von Mike Mignola geschrieben wurde und das kann ich ja bereits von meiner Liste streichen. Ich bin also sehr zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Das Buch, das ich gerade zeichne, ist ebenfalls ein Traumprojekt von mir.
Ich bin eher weniger der Supherhelden-Typ und hätte keine große Lust die X-Men oder Superman zu zeichnen. Ich würde gern mein eigenes Projekt irgendwann zu Ende bringen, doch es kann ziemlich hart sein, Nebenprojekte zu verwirklichen, während man Aufträge annimmt und eine Familie zu versorgen hat. Doch ich würde mir wie ein Idiot vorkommen, meine Karriere irgendwann beenden zu müssen, ohne etwas vollkommen eigenes veröffentlicht zu haben.

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Stenbeck Cover „Baltimore: The Play“

Emu: Kannst du uns etwas über dein eigenes Projekt erzählen? Wie lange arbeitest du bereits daran und worum geht’s dabei?

Ben: Aktuell würde ich gern noch nicht zu viel darüber erzählen, aber es begann alles im Jahr 2012 als eine einfache Gag-Idee und seit dem wächst sie. 2013 nahm ich mir eine Woche frei und zeichnete ein paar Seiten. Ich schaffte ca. 10 Seiten und dann starb ich irgendwie ab. Ich hatte noch nicht den richtigen Ton gefunden, also gab ich vorerst auf.
Letztes Jahr griff ich das Thema wieder auf und arbeitete weiter daran. So bin ich aktuell ungefähr wieder bei 10 Seiten angekommen, aber diesmal funktioniert das Konzept. Ich weiß noch nicht wie umfangreich die Arbeit werden wird und ich habe auch noch keine ernsthaften Gespräche mit Publishern geführt. Ich werde einfach weiter daran arbeiten und die Sache sich entwickeln lassen. Thematisch wird es in Richtung Sci-Fi gehen.

Ben Stenbeck bei Cross Cult Comics:

(Picture Copyright: Ben Stenbeck / Dark Horse Comics)

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DISTRAKT
21. Februar 2017 10:42

Rockin’ interview!