#OldButGold: Darwyn Cookes „DC: Neue Horizonte“ (Kolumne)

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#OldButGold: Darwyn Cookes „DC: Neue Horizonte“ (Kolumne)
(Copyright: DC Comics)

#OldButGold: Darwyn Cookes „DC: Neue Horizonte“ (Kolumne)

Es wurde echt mal wieder Zeit. Meine letzte Kolumne habe ich vor ganzen 5 Monaten veröffentlicht, lasst euch das mal auf der Zunge zergehen. Ich kam einfach nicht dazu in meinem Comic-Regal zu wühlen, da ich mich in letzter Zeit ausschließlich mit neuem Material beschäftigte.
Mein Lesestapel schien sich jede Nacht heimlich zu vermehren und mich am darauffolgenden Morgen von oben herab mit vorwurfsvollem Blick und schüttelndem Kopf anzustarren. Das können schon echt unfreundliche Zeitgenossen sein.

Sei’s drum. In der letzten Woche fasste ich den Entschluss endlich wieder zu kolumnieren (das klingt selbst beim Schreiben schon seltsam). Also setzte ich Kaffee auf, stand vor meinem Regal und starrte eben jenes mit vorwurfsvollem Blick an. Ja, ich bin manchmal auch schwer zu ertragen.
Bei solch einer langen Auszeit verspürt man selbstverständlich den Drang etwas Besonderes zu wählen, eine Story die unfassbar gut ist, aber vielleicht noch gar nicht so viele Leser kennen. Also dachte ich mir... auf zu neuen Horizonten.

The New Frontier

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(Copyright: DC Comics)

Als ich den letzten Satz gerade geschrieben habe, hatte ich schon ein leichtes Kribbeln auf der Haut. Ihr da draußen, die ihr Darwyn Cookes Meisterwerk kennt, wisst was ich meine.
Cooke verstarb im Mai dieses Jahres im zarten Alter von 53 Jahren und mein erster Gedanke, nach einem innerlich laut gebrüllten „FUCK!“, war, ich muss „DC: The New Frontier“ wieder ausgraben.

Der Mann, der als Filmanimator, Cartoonist und auch Comic-Autor so viele Erfolge feiern konnte, blieb bei mir - wie wahrscheinlich auch bei vielen anderen Lesern - vor allem für seine abgeschlossene Story an den Golden- und Silver Age Recken im Gedächtnis. Was schon einer leichten Untertreibung gleichkommt.

Im Jahr 2004 entschied sich DC Comics abermals eine alternative Darstellung der Frühphase des eigenen Helden-Imprints vorzunehmen. Elseworld-Storys erlauben es dem Verlag seit jeher frischen Wind in eingestaubte Origins und Plots zu bringen. Doch so Elseworld sollte die kommende Story dann gar nicht werden. Aber dazu später mehr.
Autor und Zeichner Darwyn Cooke schickte sich an die Golden- und Silver Age Helden in einer epochalen Story zu vereinen, welche mit einem weltgeschichtlichen Background unterfüttert werden sollte, um eine Darstellung der DC Helden zu erwirken, die sich mit der finsteren Politik der McCarthy-Ära auseinandersetzen musste.

Der zweite Weltkrieg war vorüber, die Nazis besiegt und die USA sowie Russland starteten motiviert mit dem Kalten Krieg durch. Das Atomzeitalter war gekommen und ein Weltlauf um die Eroberung des Weltraums war diesem gefolgt. Der US Regierung waren jedoch frei herumlaufende Vigilanten zu suspekt, also wurde die JSA kurzerhand verboten und Superhelden, die ihrem Heldendasein weiterhin nachgehen wollten, somit zur Registrierung oder bei Verweigerung in den Ruhestand gezwungen. Lediglich Superman und Wonder Woman folgten dem Willen der Bürokraten und arbeiteten als einzige Metawesen folglich für die öffentliche Hand.

Die 1950er sind angebrochen, der Koreakrieg nahm gerade sein Ende und die Geburtsstunde einer jungen Heldenklasse war gekommen: The Flash, Green Lantern oder auch der Marsianer Martian Manhunter tauchten auf der Bildfläche auf und der Zeitpunkt hätte kaum günstiger sein können, denn eine uralte, böse Macht schien seit Äonen unter der Erdoberfläche zu schlummern und nun endlich zu erwachen.

Synopsis

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(Copyright: DC Comics)

Darwyn Cooke thematisiert in seinem komplexen Comic eine turbulente Nachkriegszeit, die von einer aufblühenden neuen Welt träumte, gleichzeitig jedoch von Paranoia, Rassismus und einer Aushöhlung der Bürgerrechte bedroht war und dabei ihre für das Gute stehenden Helden gleichzeitig unter Kontrolle halten wollte.
Er vermischt das reale, weltpolitische Geschehen der frühen 1950er Jahre mit einer nie zuvor schöner illustrierten Kollision zweier Superhelden-Generationen, die sich trotz aller gesellschaftlichen Problematiken mit einem lovecraftschen Cthulhu-Wesen zu messen haben, welches für die Welt die ultimative Bedrohung darstellt, was diese letztendlich wieder vereinen soll. Ein Schelm wer da die „Watchmen“ wittert.

Und genau darin liegt die Stärke des Werks, da Cooke sich ungeniert - jedoch auf hohem Niveau - an allen Stilistiken und Genres bediente, die das pop-kulturelle Erbe für ihn als nützlich erscheinen ließ. Dadurch erschuf er einen eigenen kleinen Kontinuitätskosmos, welcher die Mythologie seiner Helden auf Händen tragen würde, um eine ultimative Superhelden-Geschichte zu erzählen, die auch vor realer Historie nicht gefeit ist - bspw. Vigilant John Henry, der aufgrund seiner Hautfarbe durch den Ku-Klux-Klan ermordet wird.

Dabei überschreitet Cooke nahezu spielerisch die Grenzen eines durchschnittlichen Superhelden-Comics, da er die gesellschaftspolitischen Aspekte nicht nur durch seine Handlung streift, sondern diese direkt darin platziert. Fast schon bezeichnend, dass der Comic den Titel „The New Frontier“ trägt, den Namen der Rede, die John F. Kennedy im Juli 1960 in Los Angeles hielt und ihn von den „Neuen Horizonten“ sprechen ließ, denen die Welt zu der Zeit entgegen blickte.

Cooke bemühte sich bei seiner Darstellung der Geschichte stets eine kinematografische Präsentation vorzunehmen. So verwendete er neben großen Splash-Pages auch immer wieder 3-Panel- bzw. 9-Panel-Systeme, um eine durchweg filmische Inszenierung zu bewirken. Sein Gefühl für Tempo und Dramatik zeigte sich dabei stets beispiellos und die großartigen Farben von Mignola-Kolorist Dave Stewart untermalten das Silver Age Design der Zeichnungen nahezu perfekt. Man hätte die Optik dieser Ära kaum besser treffen können.

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(Copyright: DC Comics)

Kontinuität?

The New Frontier“ bildet quasi eine eigene Kontinuität, indem Cooke das Erscheinen von Figuren des Golden- und des Silver Ages vereint, jedoch auch darüber hinausgeht und erst später in der DC Historie erschienene Figuren wie bspw. Darkseid Erwähnung finden.
Cooke ging dabei von der Basis der Helden des Golden Age aus: Superman trägt das originale S der 1940er auf seiner Brust, Wonder Woman ihr altes Kostüm, Jay Garrick ist als The Flash bereits im Ruhestand und Batman zeigt sich im klassischen Kane/Finger Design. Geschickt platziert er dabei die Helden des Silver Age: so taucht in der Geschichte Barry Allen das erste Mal im Jahr 1956 als The Flash auf, das Jahr in dem DC Comics mit Showcase #04 Barry in den Comics debütieren ließ. Oder Hal Jordan, der im Comic im Jahr 1959 seinen Green Lantern Ring erhält... Showcase #22, klingelt’s?

Doch zählt das nun als Elseworld-Story? Nein. Spätestens seit Grant Morrisons großartiger „Multiversity“ Story ist bekannt, dass die Welt von „The New Frontier“ eine der 52 Parallerden des DC Universums darstellt - nämlich Nr. 21 - und somit fest in der regulären DC-Comics-Multiversums-Kontinuität verankert ist.

Justice League: The New Frontier

Der Erfolg von Cookes Meisterwerk war vorprogrammiert. So wurde „The New Frontier“ nicht nur mit dem Eisner, Harvey, und Shuster Award ausgezeichnet [sic!], sondern auch noch als Vorlage für einen der besten DC Animated Filme aller Zeiten verwendet. Mit „Justice League: The New Frontier“ widmeten sich Regisseur Dave Bullock und Produzentenlegende Bruce Timm dem Comic und schufen mit Unterstützung von Darwyn Cooke selbst eine Animationsfilm-Version der Vorlage. Auch diese Umsetzung wurde gefeiert und zählt bis heute neben „Batman: Year One“ und „Justice League: The Flashpoint Paradox“ zu den besten Filmen der Reihe.

Veröffentlichung

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(Copyright: DC Comics)

Panini Comics veröffentlichte die Story 2005 in zwei Bänden der DC Premium Reihe, und zwar in Ausgabe Nr. 40 und 41. In ausgewählten Comic-Shops oder auch gebraucht über Ebay bekommt man diese noch ganz bequem. Alternativ würde sich dazu Bd. 47 & 48 der Eaglemoss DC Graphic Novel Collection anbieten, wobei diese beiden Ausgaben mit Adventure Comics #466 und Showcase #17 auch noch zwei Bonushefte enthalten.

Wer nicht zwingend Wert auf eine deutsche Übersetzung legt, kann sich auch eine der wunderbaren US Hardcover Editionen oder gar die Absolute Edition von DC Comics besorgen.
Meine seit 5 Jahren regelmäßig gestellte Nachfrage nach einer deutschen Absolute Edition wird bis heute leider immer wieder verneint. Aber man darf ja noch träumen.

Darwyn Cookes Weltklasse-Comic „DC: The New Frontier“ stellt für mich eine ganz besondere Ausgabe meiner eigenen Sammlung dar. Neben Alan Moores „Watchmen“ oder auch Grant MorrisonsAll-Star Superman“ ist diese alternative Origin-Story der Silver-Age Justice League eine der kreativsten und für mich auch emotionalsten Comic-Erzählungen, die DC Comics bisher hervorgebracht hat. Die ultimative Superhelden-Geschichte in einer bahnbrechenden Optik.
Dass uns dieses Comic-Talent mittlerweile verlassen hat, schmerzt unter Anbetracht meines erneuten Lesevergnügens der „Neuen Horizonte“ umso mehr. Cookes Geschichten werden mich jedoch auf ewig begleiten, denn herausragende Werke wie die Seinen sind der Grund, warum ich Superhelden-Comics so liebe. Ruhe in Frieden großer Meister.

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Titel: DC Premium Bd. 40 & 41: Neue Horizonte
Verlag: Panini Comics
Format: Softcover / lim. Hardcover
Vö-Datum: ab 24.11.2005
Originalausgaben: US DC: The New Frontier
Seitenzahl: insgesamt ca. 396
Autor: Darwyn Cooke
Zeichner: Darwyn Cooke
Preis: 23,90 bis 30,00 €

 

(Picture Copyright: DC Comics / Panini Comics)

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Eric Zonfeld
Eric Zonfeld
8. Januar 2018 8:18

Danke für den Artikel, hat mich dazu gebracht, mir die beiden Panini-Bände zu bestellen.

Eric Zonfeld
Eric Zonfeld
12. Januar 2018 23:54
Antwort auf Kommentar von  Eric Zonfeld

... und was für tolle Comics das sind! Verschlinge sie grade.