Comic Review: Der Treck (Jacoby & Stuart)
Bereits im Februar dieses Jahres erschien im Verlagshaus „Jacoy & Stuart“ der Comic „Der Treck“ vom belgischen Autor Denis Lapière (u.a. „Die schwarze Seite“) und dem spanischen Zeichner Eduard Torrents („Sherlock Holmes Society“).
Ein Werk, das gänzlich an mir vorbeizurauschen schien, wäre da nicht ein Zusammentreffen auf einer Messe im fränkischen Erlangen gewesen.
Mit „Der Treck“ greifen Lapière und Torrents eine bisher eher weniger beachtete Seite des zweiten Weltkrieges auf, die den Leser nach Spanien führt und den Überlebenskampf einer Familie auf der Flucht nach Frankreich schildert.
Wir beginnen im französischen Montpellier, im Jahr 1975. Angelita ist ihres eingefahrenen Lebens überdrüssig. Sie trifft sich heimlich mit einem Arbeitskollegen. Ihrem Mann sagt sie, sie müsse länger arbeiten.
Zuhause erwartet sich nichts als Tristesse und Entfremdung, doch eines Tages erhält sie einen Anruf: ihre Mutter hatte offenbar einen Herzinfarkt und liegt in Barcelona im Krankenhaus. Wie kann das sein? Sie hatte geschworen nie wieder die spanische Grenze zu passieren, solange Franco am Leben ist.
Zusammen mit ihrem Stiefvater macht sie sich umgehend auf, den nächsten Zug nach Barcelona zu erwischen. Auf der langen Fahrt kommt es endlich zum Gespräch, zu dem es seit Jahren nie gekommen ist, aber längst kommen sollte: Angelita erzählt ihrem Stiefvater von der Flucht ihrer Familie nach Frankreich, zu Zeiten des Krieges. Sie erzählt davon, wie das Leid ihre Familie zerrüttet hat und sie ihren Vater das letzte Mal sah. Sie erzählt von der Deportation und einem dunklen Fleck in einer dunklen Historie, der zu lange nicht beleuchtet wurde.
Die beiden Künstler schaffen es geschickt zwischen Rückblicken und aktueller Handlung zu wechseln und gleichzeitig von der finsteren Kindheit eines jungen Mädchens zu erzählen, das die Welt nicht mehr versteht und im Erwachsenenalter erkennen muss, dass hinter allem doch viel mehr zu stecken scheint, als sie all die Jahre gedacht hatte.
Lapière und Torrents schildern mit subtilen, aber eindringlichen Bildern von der Deportation, dem Leid, dem Hunger und der Entmenschlichung der spanischen Flüchtlinge. Dabei generieren sie einen sich beinahe schon selbstverständlich aufbauenden Spannungsbogen und einen überaus angenehmen Lesefluss, durch eine gekonnte Dialogführung.
„Der Treck“ ist die emotionale und berührende Geschichte einer Familie, die durch den Schrecken des 20. Jahrhunderts unermessliches Leid erfahren musste und hier stellvertretend für Millionen weiterer Opfer steht. Ein Historien-Comic, der zum Denken und Reflektieren anregt und sich trotz der geschichtlichen Handlung als aktueller denn je erweist.
Titel: Der Treck
Verlag: Verlagshaus Jacoby & Stuart
Format: Hardcover
Vö-Datum: 26.02.2016
Originalausgaben: Le convoi
Seitenzahl: 124
Autor: Denis Lapière
Zeichner: Eduard Torrents
Preis: 24,00 €(Cover Copyright: Verlagshaus Jacoby & Stuart)
Passionierter Fanboy & Comic-Nerd. Ist seit vielen Jahren im Netz als Blogger unterwegs und fungiert als Betreiber und Autor von bizzaroworldcomics.de.
Zudem wirkt er als Autor für Fachmagazine wie Comic.de und stellt 1/3 Sprechblase bei POW! - Ein ComicPodcast. Er lebt mit seiner Frau und seinen Kindern im Harz.